ISMPS

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR

DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES


MUSIK IN GLOBALEN PROZESSEN

Malakka


kulturwissenschaftlich orientierte Musikstudien &

musikwissenschaftlich geleitete Kulturstudien

Kontexte

Südostasien | Malakkastraße/Singapur

e.V.
1968 - Brasilien
1985 - Deutschland



Vorsitz

Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo

Universität Köln


Malakka in Malaysien gehört zu den Kontexten, die zu den Forschungsaufgaben des ISMPS zählen. Die Studien sind allerdings im Sinne der Zielsetzung des ISMPS, der Entwicklungen, die zu dessen Gründung 1985 geführt haben, und deren theoretischen Leitansätzen zu verstehen. Diese reichen zurück auf eine Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien, die in Universitätskreisen Brasiliens in den 1960er Jahren entstand. Sie führte 1968 zur Gründung eines ersten Forschungszentrums prozessorienter Studien, zu eine Zeit, in der unter dem Eindruck des Vietnam-Krieges die Aufmerksamkeit auf Südostasien gerichtet war. Auf Hochschulebene wurden die kulturwissenschaftlich orientierten Musikstudien Südostasiens erstmals im Fachbereich Ethnomusikologie der Fakultät des Musikinstituts São Paulo 1971/72 behandelt. Auf internationaler Ebene wurden sie ab 1975 durch einen an der Universität Köln gebildeten Arbeitskreis weitergeführt, der die Gründung des ISMPS 1985 vorbereitete.


Gegenstand der Studien: Musik in Kulturprozessen


Die Studien des ISMPS, die Malakka fokussieren, beschränken sich nicht auf die Stadt Malakka in Malaysien, die in ihrer Geschichte von der Ankunft und Vorherrschaft der Portugiesen im 16. Jahrhundert geprägt ist. Sie beschränken sich auch nicht auf das sogenannten Portuguese Settlement bzw. Kampong Portugies, das Fischerdorf, das heute als Überbleibsel portugiesischer Präsenz angesehen wird und als touristische Attraktion in der Umgebung von Malakka gilt.


Malakka wird fokussiert als ein Bezugs- und Ausgangspunkt der Betrachtung für Studien von Zusammenhängen, die weit über die räumlichen Grenzen der heutigen Stadt hinaus gehen. Sie dient als Referential für die Untersuchung von Prozessen innerhalb eines Netzwerkes von Beziehungen, die sie mit anderen Orten der Straße von Malakka – der Meeresenge zwischen der malaiischen Halbinsel und der Nordostküste von Sumatra – und seit dem 19. Jahrhundert vor allem mit Singapur sowie mit anderen Regionen der malaiischen Inselwelt und dem südostasiatischen Festland verbindet.


Diese südostasiatische Sphäre ist mit dem des fernöstlichen südchinesischen Meeres unter vielen Aspekten verschränkt. Die Straße von Malakka verbindet die Andamanensee mit der Straße von Singapur und somit die malaiische Inselwelt mit den Inseln des südchinesischen Meeres und dem chinesischen Festland. Die Straße von Malakka verbindet auch die Karimata-Straße zwischen den Inseln Sumatra und Borneo und somit die Javasee mit dem südchinesischen Meer.


Die Betrachtung des südosteuropäischen Kontextes von Malakka aus als Bezugspunkt im Rahmen des ISMPS betrifft demnach ein komplexes Gefüge von sich verschränkenden Kontexten und Interaktionen. Sie verbindet sich mit Studien von Kontexten und Netzwerken, die in der Organisation des Instituts aus anderen Fokussierungen als Bezugspunkten behandelt werden, nämlich Macao und Ostimor. Die Malakka-Studien verbinden sich in komplexer Weise mit den China-Studien, die in den Arbeiten des ISMPS vom Bezugspunkt Macau aus untersucht werden, sowie denjenigen südostasiatisch-pazifischen Kontexten, die vom Standpunkt Osttimor aus betrachtet werden. Darüber hinaus richtet sich die Aufmerksamkeit auf andere geographische Kontexte, die Ziele von Migrationen zu verschiedenen Epochen wurden, von den Inseln des pazifischen und indischen Ozeans bis Südafrika an der Grenze zum atlantischen Raum, wo es eine bedeutende malaiische Kolonie gibt. Die Präsenz südostasiatischer Migrantengruppen in anderen Teilen der Welt gehört auch im erweiterten Sinn zu den Institutsaufgaben.


Die Studien des ISMPS gelten der Musik in Kulturprozessen, die in diesen in komplexer Weise verworbenen Netzwerken von Beziehungen verlaufen. Das weit verzweigte Netz von Wasserwegen ermöglichte bereits vor der Ankunft der Europäer vielseitige Handelsbeziehungen und diente zur Kommunikation zwischen Völkern verschiedener Kulturen. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die Entwicklungen, die durch die Ankunft der Portugiesen und deren Einwirkungen auf bestehende Zustände und Prozesse entfacht wurden. Sie betreffen Vorgänge von Kontakten in ihren Interaktionen, Wechselbeziehungen, Handelsbeziehungen, Missionierungen, Niederlassungen und Einwirkungen in Konflikten.


Die Studien beschränken sich jedoch  nicht auf vergangene Zeiten portugiesischer Vorherrschaft oder auf die portugiesisch sprechenden Menschen und Gemeinden in Südostasien. Sie erfassen auch andere Epochen und Gemeinschaften, die das Portugiesische nicht mehr beherrschen. Die Studien sind nicht nur historisch orientiert. Die Vergangenheit wird untersucht, um Entwicklungen der Gegenwart besser zu verstehen. Sie sind somit primär gegenwartsbezogen.

Bedeutung von Malakka in Kultur- und Musikforschung


Die Stadt Malakka bietet mit ihren historischen Denkmälern und Ruinen sichtbare Zeugnisse der Präsenz der Portugiesen im 16. Jahrhundert, für die Handelsbeziehungen, die militärischen Unternehmungen und die Ausbreitung des Christentums in der malaiischen Inselwelt.


Die Portugiesen kamen in eine Weltregion, die seit Jahrhunderten von Händlern durchzogen war, die sich zwischen dem Festland Südostasiens, der malaiischen Halbinsel, der Küste von Sumatra und dem südchinesischen Meer bewegten. Die Wasserwege waren Kanäle von Impulsen und Interaktionen, was diese Sphäre der Welt für prozessorientierte Kulturstudien besonders bedeutsam macht.


Diese Vergangenheit und die darauffolgenden Konflikte mit anderen Mächten Europas und Asiens werden in Museen und Ausstellungen Malakkas dargestellt. Vor allem ein Schiff-Museum erinnert daran, dass die Kulturstudien von Malakka sich mit dessen Bedeutung als Umschlagplatz, als ein Ort von Handelsbeziehungen in einer Meeresenge befassen müssen, die die kürzeste Verbindung zwischen dem Indischen Ozean und dem Fernen Osten darstellte.


Das Portuguese Settlement oder Kampong Portugis in Malakka wird heute vielfach als ein bemerkenswertes Relikt portugiesischer Präsenz im heutigen Malaysien angesehen. Wenn auch die portugiesische Sprache nur noch unvollkommen von den Einwohnern gesprochen wird, werden Portugal, portugiesische Lebensweisen und Trachten, regionale Tänze und Musik aus Portugal zelebriert. Sie werden bei Festen des Kirchenjahres sowie bei Heiligenfesten, vor allem für den portugiesischen hl. Antonius im Juni, gefeiert.  


Die Siedlung ist seit langem Gegenstand der Aufmerksamkeit der empirischen Kulturstudien sowie der Sprachforschung. Die Volkskundlerin Graciete Nogueira (1915-1992) behandelte Malakka ausgehend von diesem Dorf mit dessen sich in sonderbarer Weise als Portugiesen identifizierenden Bewohnern. Ihr Interesse richtete sich auch auf Residuen alten portugiesischen Liedgutes mit seinen sprachlichen Eigenarten, das vielfach bereits in Portugal verloren gegangen ist.


Die musikologische Beschäftigung mit der Gemeinschaft des Portuguese Settlement Malakkas darf sich nicht gleichsam kulturarchäologisch mit der Suche nach Residuen jahrhundertealter Gesänge begnügen. Die Musik spielt eine grundlegende Rolle bei der Aufrechterhaltung einer affektiv geprägten portugiesischen Identität der Gemeinschaft, was sonderbar erscheinen mag. Sie bezeugt nicht Überbleibsel eines alten Repertoires und von Traditionen, die auf die Portugiesen des 16. Jahrhunderts zurückgehen, sondern geht auf Musik und Tänze zurück, die erst in späterer Zeit eingeführt wurden. Sie verweist auf die missionarischen bzw. katechetischen Arbeiten von Geistlichen, die im 19. Jahrhundert als eine Zeit des Interesses für Folklore in den europäischen Ländern regionale Tänze, Lieder und Instrumentalmusik Portugals in den Dienst der Gemeindearbeit und der Revitalisierung und Festigung des Katholizismus stellten. Die Studien richten sich unter diesem Aspekt auf die Diffusionswege und -methoden der Folklore-Anwendung und deren Auswirkung bei der Verstärkung emotionaler Bindungen zu Portugal gleichsam als ein virtuelles Heimatland, was Voraussetzung für die weitere Rezeption von Unterhaltungs- und Popularmusik bildete. Die Betrachtung der Rolle der Musik bei der Wiedergewinnung und Verstärkung des Katholizismus muss die Herkunft und Kulturprägung der säkularen Priester und der Ordensleute berücksichtigen, die katechetisch und erzieherisch seit dem 19. Jahrhundert in Südostasien wirkten. Sie waren durch die Tendenzen und Bestrebungen der Kirche im Allgemeinen sowie die Geschichte, Auffassungen und Lebensordnungen der Ordenshäuser kulturell vorgeprägt. Vielfach erhielten sie Ausbildung im Seminar von Macau. Sie sind in innerkirchliche Restaurations- und Erneuerungsprozesse eingeschrieben.


Aktualität von Kultur- und Musikstudien zu Malakka


Die zunehmende wirtschaftliche und politische Bedeutung Südostasiens in der Gegenwart verlangt nach Beachtung und Analysen in Kulturstudien in globalen Zusammenhängen. Es handelt sich um eine Sphäre der Welt, die von einer komplexen Kulturvielfalt von Völkern verschiedener ethnischer Herkunft, religiöser Zugehörigkeit und Kulturtradition geprägt ist, von Menschen und Gemeinschaften, die eingeschrieben sind in historische Prozesse, die bei allen Unterschieden miteinander verwoben sind. Die Rezeption internationaler Tendenzen durch die Medien und deren Verarbeitungen und Auswirkungen erhöhen die Komplexität dieser Interaktionen. Die großen Metropolen – wie zum Beispiel Singapur – zeugen von einer multikulturellen Diversität, die ein weites Feld für Studien kosmopolitischer Entwicklungen sowie inter- und transkultureller Prozesse bietet. Um diese kontextgerecht zu untersuchen, ist von den verschiedenen Netzwerken der Gesellschaft auszugehen, die geprägt sind von spezifischen geschichtlichen Wegen und Lebenserfahrungen, durch religiöse Bindungen sowie Lebensweisen und Traditionen, die sie von anderen unterscheiden und Beziehungen zum Anderen und zum Ganzen bestimmen. Als seine Aufgabe sieht es das ISMPS an, die Kontexte und Prozesse zu untersuchen, die durch die Ankunft der Portugiesen im 16. Jahrhundert entstanden sind oder die nach dem Ende ihrer Vorherrschaft im Verlaufe der Zeit durch kommerzielle und kirchliche Bindungen aufrechterhalten blieben. Die Studien sollen nicht nur historisch einer vergangenen Epoche gewidmet sein. Sie richten sich auf Vorgänge von Wandlungen und Veränderungen, die durch Handel, Krieg, Wechsel politischer Macht, Missionierungen und andere Faktoren über die Jahrhunderte stattfanden und sich in der Gegenwart auswirken.

Entwicklung der Kultur- und Musikstudien Malakkas


Das Interesse für Südostasien in Brasilien in den 1960er und 1970er Jahren wurde besonders durch die weltweite Betroffenheit geweckt, die der Vietnam-Krieg hervorrief. Entsprechend den Bestrebungen in vielen Regionen der Welt entstand in São Paulo eine Bewegung, die eine Erneuerung von Denkweisen, Einstellungen, Strukturen, Ansichten und Handlungsweisen in den Kultur- und Musikstudien anstrebte. Plädiert wurde für eine Überwindung eines „Schubladendenkens“ durch die Orientierung der Aufmerksamkeit auf Prozesse, die durch Trennungen hindurchziehen und Grenzen überwinden.


Dieses Anliegen führt zur verstärkten Beachtung von Verkehrs- und Kommunikationswegen, die Regionen erschlossen und zur Gründungen von Ortschaften führten, zu Besiedlungen, zur Schaffung von Netzwerken, in denen Diffusionen von Informationen, tradierten Überlieferungen und Neuerungen erfolgten. Projekte zur Analyse dieser Netzwerke ermöglichten die Untersuchung der Lebens- und Berufswege u.a. von Musikern, die Auffindung von Musikmaterialien sowie einer Musikgeschichte, die sich auf Beziehungen, Prozesse und deren Änderungen im Verlaufe der Zeit stützte. Dieses Anliegen verlangte interdisziplinäre Vorgehensweisen, wie sie zwischen Vollskundlern, Musikhistorikern, Kommunikationsforschern und Dozenten für urbane Geographie der Fakultät für Philosophie der Universität von São Paulo 1969 erfolgten. Hier wurde der Blick nicht nur auf die Prozesse, die durch die Eröffnung von Straßen zu dieser Zeit erfolgten, sondern auch weltweit auf die Verkehrs- und Kommunikationswege der Vergangenheit gerichtet, die – wie die Straße von Malakka – die Geschichte der portugiesischen Expansion bestimmten.


Dieser Ansatz wurde im Forschungszentrum der 1968 gegründeten Gesellschaft für prozessorientierte Forschung verfolgt, das mehrere Projekte zur Untersuchung von Kommunikationswegen und Netzwerken initiierte. Auf Hochschulebene wurden die Studien im Fachbereich Ethnomusikologie der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts São Paulo vertieft. Die erreichbaren Publikationen zu Südostasien wurden unter diesem Aspekt gelesen. Ordensleute, vor allem die Salesianer, die in Macau, Malakka und anderen Orten Südostasiens tätig waren, vermittelten Informationen über ihre Reisen und über das Netz von Beziehungen, das Kirchen und katholische Gemeinden im ehemaligen Indochina und die Städte im südostasiatischen bzw. malaiisischen Raum verband. Diese Perspektivierung der Studien aus der Position portugiesischsprachiger Protagonisten eröffnete den Weg zu neuen Fragestellungen und Deutungen. So wurde die Morisko-Tradition in portugiesischen Gemeinden Malakkas nach ihren möglichen Beziehungen zum Kroncon moritsku in Indonesien hinterfragt.


1975 | Quellen zur Kultur- und Musikgeschichte Malakkas


Die Durchsicht der historischen Quellen nach Angaben von besonderem Interesse für Kultur- und Musikstudien wurde seit 1975 von einem Arbeitskreis mit Sitz an der Universität Köln in Angriff genommen. Er sollte angesichts der Umwälzungen in den ehemaligen portugiesischen Überseegebieten die Grundlagen für eine aktualisierte Kultur- und Musikwissenschaft im portugiesischsprachigen Raum schaffen. Die Studien wurden in Zusammenarbeit mit Musikethnologen sowie Ethnologen des Instituts für Völkerkunde der Universität und des Rautenstrauch-Joest-Museums der Stadt Köln durchgeführt.


Die Angaben von João de Barros (1496-1570) über die Begegnung von portugiesischer und einheimischer Musik wurden zu Beginn der Besprechungen berücksichtigt. Die Chronik von Damião de Goís (1502-1574) wurde hinsichtlich der faktischen Historizität ihrer Angaben diskutiert, wobei die Notwendigkeit einer geeigneten, kulturwissenschaftlich geprägten Lektüre erkannt wurde. Besonders beachtet wegen ihrer ethnomusikologischen Bedeutung wurden die ersten Notizen über den chinesischen sheng sowie über Musikinstrumente der indonesischen Tradition in Malakka, nämlich die Überreichung eines Gamelan aus Java an Afonso de Albuquerque (1453-1515) . Die Forderung nach einer geeigneten Lektüre musste insbesondere bei der Berücksichtigung der Peregrinação von Fernão Mendes Pinto (ca. 1509-1583) beachtet werden. Die Erwähnung von Gesang und Musikinstrumenten nach portugiesischer Art in Malakka  („Musicas de boas falas à Portuguesa, com arpas e doçaynes, & violas d’arco“) dokumentiert die Bedeutung der Musik in diesen ersten Zeiten der portugiesischen Präsenz in der Region. Zugleich wird aus Briefen des ersten Vikars Afonso Martins an D. Manuel (1469-1521) von 1514 die Bedeutung, die dem Gregorianischen Choral und der Mehrstimmigkeit im Kult sowie im Musikunterricht auf der Festung von Malakka beigemessen wurde, ersichtlich.


1977 | Kirchenmusik und Kulturforschung


Seit der Gründung des Instituts für hymnologische und musikethnologische Studien in Köln/Maria Laach 1977 konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf gegenwärtige Bestrebungen in nachkonziliarer Zeit in außereuropäischen Regionen. Als Voraussetzungen für die Erforschung aktueller Zustände wurde nach der theoretischen Orientierung, die im portugiesischsprachigen Raum entstanden ist, die eingehende Berücksichtigung der Prozesse, die sich seit den ersten Begegnungen bis in die Gegenwart auswirken, unerlässlich.


Die Aufmerksamkeit der Studien richtete sich auf die Durchsicht der missionshistorischen Dokumente und Literatur, vor allem hinsichtlich Franz Xaver (SJ) (1506-1552). Die entsprechende Missionsliteratur konnte u.a. in der Diözesan-Bibliothek des Erzbistums Köln sowie im Missionsinstitut St. Augustin/Bonn durchgesehen werden. Die Tradition der Commendatio Animae sowie die Verwendung von Glöckchen bzw. Schellen im katechetischen Dienst auf den Straßen sowie die intonierte Vermittlung der christlichen Lehre und die Litaneien wurden Gegenstand von Besprechungen.


Als ein bedeutendes Datum für die portugiesische Musikgeschichte Malakkas erschien die gesungene Messfeier als Prämiz von Afonso de Castro 1549. Ausgehend von dieser Angabe konnte auf Änderungen der Musikauffassungen eingegangen werden sowie auf die Beziehungen zwischen Südostasien und Goa als Bildungs- und Ausstrahlungszentrum. Die  Abtrennung Malakkas von der kirchlichen Jurisdiktion von Macau durch die Bulle Super Specula (1576) stellt einen anderen Markstein in einer Entwicklung dar, die die Bedeutung von Malakka als Bezugspunkt südostasiatischer Kontexte begründete.


1986 | Malakka im Studienprogramm zur Übergabe von Hongkong und Macau


Die Übergabe von Hongkong und Macau an China markiert eine Wende europäischer Präsenz in Ostasien, die nicht ohne Auswirkungen auf Südostasien bleiben konnte. Das Studienprogramm, das das ISMPS in Macau und Hongkong 1996 eröffnete und sich bis 1999 mit Veranstaltungen in Deutschland, Portugal und Brasilien erstreckte, konnte nicht die südostasiatische Inselwelt unberücksichtigt lassen. Von Macau aus wurden seit Jahrhunderten Priester und Missionare in die katholischen Orte der Malakkastraße gesandt. Der Bischof von Macau entsendete Geistliche zur portugiesischen Gemeinde der Kirche St. Joseph in Singapur. Die Besprechungen in Macau wurden in Kooperation mit dem Vorsitzenden des Interuniversitären Instituts und des Seminars der Diözese durchgeführt. Die Rolle Macaus in der Missionsgeschichte Malakkas des 19. und 20. Jahrhunderts wurde besonders beachtet. Orientierung und Methoden der missionarischen bzw. katechetischen Tätigkeit wurden diskutiert. Darüber hinaus wurde die Verbreitung von Auffassungen und Praktiken der kirchenmusikalischen Restauration sowie die Rezeption des Motu Propio Pius’ X. (1903) hervorgehoben. Die Entwicklungen nach dem 2. Vatikanischen Konzil hinsichtlich der Kirchenmusik standen im Mittelpunkt der Besprechungen. Die Sammlung von Gemeindegesängen, die vom Bischof von Macau zusammengestellt wurde und eigene Kompositionen enthielt, war auch in den Kirchen Malakkas und Singapurs in Gebrauch.


1997-2001 | Malakka in Kultur- und Musikforschung in globalen Zusammenhängen


Malakka als Bezugspunkt für die Betrachtung von Kulturprozessen in Südostasien wurde, wie auch Macau für den Fernen Osten, im Rahmen der Vorlesungsreihe Musik in der Begegnung der Kulturen betrachtet, die in Zusammenarbeit mit dem ISMPS von 1997 bis 2001 an der Universität Köln stattfand. Ziel der Veranstaltung war es, zur Erneuerung einer Musikgeschichte beizutragen, die sich meist auf Europa, vornehmlich auf Deutschland und Österreich, Frankreich und Italien, beschränkte sowie einer Musikethnologie, die historische Prozesse der Kulturwandlungen ungenügend beachtete.


Der Stand der Quellenforschung zu den verschiedenen Jahrhunderten wurde besprochen und dabei die Notwendigkeit ihrer aufmerksamen, kontextgerechten Lektüre hervorgehoben. Ebenfalls wurde auf die Tendenzen und Probleme der Historiographie hingewiesen. Insbesondere wurden die portugiesischsprachigen Publikationen berücksichtigt. Es wurde u.a. an die Retalhos d’uma Odysséa von Antonio de Campos Júnior (1850-1917) erinnert und vor allem an das Interesse des Kaisers Pedro II. von Brasilien für Studien des malaiischen Archipels der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Vor allem die Reiseberichte aus wertvollen Quellen für eine Erforschung globaler Beziehungen wurden unter Berücksichtigung der kulturellen Bedingungen der Sichtweisen ihrer Verfasser eingehend besprochen. Auch die Überlieferungen, die Eingang in die Literatur und die populärwissenschaftlichen Bücher fanden, verdienten beachtet zu werden, denn sie prägen das kollektive Gedächtnis und das Bild der Vergangenheit. Als Beispiel wurde an die Figur von Panglima Awang bzw. Heinrich von Malakka erinnert, der an der Weltumseglung von Fernando de Magalhães (1480-1523) teilnahm und als malaiischer Magalhãesals erster Malaysier in Brasilien war. Diese Gestalt, an die in Malakka in der Ausstellung im historischen Schiff Froll de la Maar erinnert wird, lebt seit George Finlayson (1790-1823) in einer Literatur weiter, die Geschichte und Fiktion vermengt. Den komplexen Entwicklungen Südostasiens und der südasiatischen Inselwelt im 20. Jahrhundert und der Situation des Kultur- und Musiklebens in der Gegenwart verschiedener Länder wurde ein ganzes Studiensemester gewidmet.


1998 | Südostasien im Internationalen Symposium „Ferner Osten und Abendland“


Das ISMPS initiierte und leitete im Rahmen seines Studienprogramms zur Übergabe von Macau an China das internationale Symposium Ferner Osten und Abendland – Musikkultur und Geist, das 1998 in Portugal standfand. Wie auch bei der Konferenz in Macau, konnte das Symposium den südostasiatischen Raum nicht unberücksichtigt lassen. Die Thematik wurde auf der Grundlage der Arbeiten des ISMPS in Ost- und Südostasien vom Vertreter für Musikethnologie des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Köln behandelt.


2002 | Malakka im Universitätsseminar „Musik und Religion“


In einem Oberseminar zu Musik und Religion, das an der Universität Bonn 2002 stattfand, wurde eine Erneuerung der Studien zu dieser Thematik angeregt. Statt einer missionsgeschichtlichen Orientierung aus einer Positionierung des christlichen Westens sollte eine konfessionsunabhängige religionswissenschaftliche Sichtweise eingenommen werden. Das konfliktreiche Verhältnis zwischen dem Islam und dem Christentum in der malaiisischen Inselwelt diente als Gegenstand zur Erprobung dieser Perspektiven. Dabei sollten die Studien von der Aktualität dieser Problematik geleitet werden. Die Debatte setzte mit der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen dem Sultanat Aceh von Sumatra und Malakka im 16. Jahrhundert an.


2003 | Malakka im Universitätsseminar „Urbanistik und Musik“


Der Themenkomplex Urbanistik und Musik wurde seit den 1960er Jahren an der Fakultät für Architektur der Universität São Paulo in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum für Musikologie ND behandelt. 2002 wurde die Thematik Gegenstand eines Oberseminars an der Universität Bonn. Die urbane Anlage und die Entwicklung von Malakka wurden untersucht. Die Bildersprache des Tors von Santiago der Festung A Formosa wurde analysiert. Eine besondere Beachtung fand der Begriff arquitetura chã in Zusammenhang mit dem des Gregorianischen Gesangs als canto chão. Parallelen zwischen den Kirchenbauten Malakkas und Brasiliens wurden erkannt und erörtert. Sie betrafen vor allem die Kirchen N. Sra. do Outeiro und N. Sra. da Graça als Gründungen von Duarte Coelho Pereira (ca. 1485-1554), Hauptmann von Nova Lusitania (Pernambuco).



Studienzyklen

(Auswahl)


2011/2017 | Singapur


Die Betrachtung malaiischer Kontexte aus der Sicht einer im portugiesischsprachigen Raum entstandenen Forschung muss auch Singapur umfassen. Wenn Malakka in früheren Jahrhunderten Haupthandelsposten gewesen war, so wurde Singapur seit dem 19. Jahrhundert zum wichtigsten Hafen und Handelsposten für die East India Company. Die Insel, die 1819 nur von Fischern, chinesischen Händlern und Piraten bewohnt war, erlangte in wenigen Jahrzehnten eine Bedeutung, die auch Portugiesen aus Malakka anzog. In der britischen und somit anglikanisch geprägten Stadt mit ihrer multikulturellen Bevölkerung entstand eine katholische Gemeinde mit einem Kultur- und Musikleben portugiesischer Prägung. Diese Entwicklung lässt eine bemerkenswerte Parallele zu derjenigen erkennen, die zwischen Macau und Hongkong verlief. Auch hier siedelten Portugiesen aus Macau zur britischen Kolonie über, wo sie Blaskapellen und Chöre gründeten und den Musikhandel förderten. Wenn auch die portugiesische Identität, Lebensweise und Traditionen über Generationen beibehalten wurden, mussten sie sich anpassen, die englische Sprache lernen, neues Musikrepertoire annehmen.


Das ISMPS hat mehrfach Singapur in seinen Studienzyklen unter jeweils anderen Kontexten und Netzwerken berücksichtigt. 2011 wurde ein Studienzyklus durchgeführt, der die gegenwärtige Situation der Gemeinschaften portugiesischer Abstammung bzw. Prägung in Singapur zum Gegenstand der Beobachtungen und Überlegungen hatte. Zugleich wurden Beziehungen sowohl zu Ländern des kontinentalen Südostasiens wie Thailand und Vietnam als auch zu denjenigen des indischen Raumes, nämlich zu Goa, Kochin und Sri Lanka, berücksichtigt. Singapur besitzt eine umfangreiche indische Gemeinde, und in der Stadt leben auch zahlreiche Portugiesen aus Goa und anderen Regionen Indiens. Die katholische Gemeinde in Singapur wurde 1826 von dem aus Goa kommenden Pe. Francisco da Silva Pinto e Maia (†1850) gegründet. Sein Nachlass ermöglichte den Bau der Kirche São José durch seinen Nachfolger zwischen 1851 und 1853. Die katholischen Kirchen Singapurs wurden besucht, die musikalische Gestaltung der liturgischen Feiern beobachtet und die Gesänge im Vergleich zu denen anderer Regionen des portugiesischsprachigen Raumes untersucht. Anregungen und Quellen zu Studien der komplexen Netzwerke von Beziehungen und der Interaktionen von Prozessen in Ost- und Südostasien bot das Museum der Zivilisationen Asiens.


2018 | Malakka – Portuguese Settlement


Das Portuguese Settlement in Malakka war seit den Vorbereitungen zur Gründung des ISMPS Gegenstand von Kulturstudien durch Beziehungen des azorianischen Musikwissenschaftlers und Theologe Dr. Armindo Borgens zu Geistlichen, die dort wirkten. 2017 wurden die Kenntnisse bei einem Besuch in Malakka  aktualisiert. Das Portuguese Settlement wurde besucht. Die Schule der Canossianerinnen vor Ort bietet in der Gegenwart eine katholisch geprägte Erziehung der jungen Generation, die damit auch zum Fortbestehen der von den Missionaren in der Vergangenheit eingeführten Kulturtraditionen Portugals beiträgt. Allerdings sind die Canossianerinnen durch ihre Geschichte und Kultur italienisch geprägt. Diese Ordensgemeinschaft wurde 1808 in Verona von Magdalena Gabriela von Canossa (1774-1835) gegründet, die als Heilige auch in dieser Siedlung in Malakka verehrt wird. Damit werden italienisch verortete Entwicklungen in lusitanisch geprägten Sphären im 19. Jahrhundert erkennbar, die Parallelen in anderen Teilen der Welt finden, wie etwa in Hongkong, wo auch die Portugiesen aus Macau in der Vergangenheit eng mit der italienischen Mission zusammenarbeiteten. Die Canossianerinnen wirken u.a. auch in Brasilien und die bemerkenswerten Ähnlichkeiten des Portuguese Settlement mit bestimmten, portugiesisch geprägten brasilianischen Gemeinden – wie in Santos – dürften in diesem Zusammenhang zu erklären sein.


2018 | Thailand und Vietnam


Mit Beobachtungen vor Ort in Thailand, Kambodscha und Vietnam 2018 wurden Studien aktualisiert, die in der Kultur- und Musikforschung des portugiesischen Sprachraumes seit den 1960er Jahren durchgeführt worden waren. Das Interesse für diese Weltregion war im Verlaufe der 1960er Jahre durch den Vietnam-Krieg geweckt worden, was maßgeblich die Debatte zur Neuorientierung der Studien auf Prozesse bestimmte. Die Länder Südostasiens wurden zum ersten Mal im portugiesischensprachigen Raum auf Hochschulebene im Rahmen der Fachbereiches Ethnomusikologie der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts São Paulo 1972 behandelt. Seit 1975 wurden diese Studien und Überlegungen in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Musikethnologie der Universität Köln weitergeführt. Bei diesen Studien stand vor allem Thailand im Vordergrund, da die Quellen von Beziehungen zwischen Portugiesen und dem ehemaligen Siam sprechen und von Missionen katholischer Ordensgesellschaften zeugen. Für das 19. Jahrhundert ist eine intensive Tätigkeit von Portugiesen aus Macau zu belegen, die eine Philharmonische Musikgesellschaft in Bangkok gründeten. Im Rahmen einer Studienreise wurde die Kirche der portugiesischen Gemeinde besucht und architektur- und kunstgeschichtlich analysiert. Die Gemeindearbeit sowie die Schul- und Hochschultätigkeit der kulturell portugiesisch geprägten Europäer in Thailand wurden beobachtet.


Südafrika – Bo-Kaap


Der südostasiatische Raum erlangt unter verschiedenen Aspekten Bedeutung für Migrationsstudien unter der Perspektive einer im portugiesischsprachigen Raum entstandene Kulturforschung. Über die Jahrhunderte zeichnete sich dieser Raum durch Ein- und Auswanderungen, durch starke Mobilität von Menschen, Reisen von Händlern, Autoritäten, Geistlichen und Personen des Kulturlebens und Musikern aus. Die Einwanderung von Menschen aus dem malaiischen Raum in anderen Regionen des Pazifik und des südlichen Indischen Ozeans wird in der Erforschung von Kulturprozessen kaum beachtet. In einem Studienzyklus des ISMPS in Südafrika wurde 2018 das malaiische Viertel Bo-Kaap, auch Malay Quarter oder Slamsebuur genannt, besucht.



Materialien

(Auswahl)


Cores, transpassagens e gentrificação - bairros de minorias étnicas e religiosas de raízes migratórias

Os Dominicanos de Goa nos primeiros séculos do Cristianismo de Solor e Timor

Malaca/Brasil: Opulência e pobreza, portentosos e humildes na história de processos culturais à luz de problemas do presente

Malaca e Olinda - igrejas de Nossa Senhora do Outeiro e das Graças

A Anunciação nos estudos de arquitetura de orientação cultural

A porta de Santiago da antiga fortaleza „A Fermosa“ (Famosa) de Malaca

A Flor do Mar (Froll de la Maar) reconstruída em Malaca

Henrique de Malaca, o primeiro malaio que esteve no Brasil

Malaios e indígenas na literatura de viagens e etnográfica do século XIX

Música em processos religioso-culturais de europeus em Malaca

O sultanato islâmico Aceh da Sumatra em guerras contra Malaca e o turcos

O Portuguese Settlement ou Kampong Portugis em Malaca

Folclore português no Portuguese Settlement

Cultura espiritual e atribuições de valores e características aos portugueses

Malaca em visões de processos históricos - narrativas e imagens

O Brasil na Antropologia e Etnologia em Berlim

O culto mariano na Malásia e seus fundamentos na ação dos portugueses em Málaca

O culto a Kuan Yin na Malásia

A música popular em processos internacionalizadores à época da Segunda Guerra Mundial

Chineses da imigração em processos internacionalizadores

Afonso de Albuquerque, "O Grande" (1453-1515) e a conquista de Malaca (1511)

Thomas Stamford Bingley Raffles (1781-1826)  e a fundação de Singapura

Islão no Sudeste da Ásia e imagens européias do Oriente

Realismo nas artes asiáticas e Simbólica

A mãe-d'água e rainha dos céus na imigração chinesa em Singapura

Questões de Direito na história cultural e eclesiástica dos portugueses em Málaca-Singapura

Cultura/Natureza e questões de Direito nas relações Brasil-Sudeste da Ásia

Missions Étrangères e Padroado Português: problemas de jurisdição missionária e de inserção cultural

Problemas da lusofonia no Oriente e o canto em "papiá cristão"